C. Gerber u.a. (Hrsg.): Unbeschreiblich weiblich?

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Titel
Unbeschreiblich weiblich?. Neue Fragestellungen zur Geschlechterdifferenz in den Religionen


Herausgeber
Geber, Christine; Silke, Petersen; Wolfram, Weiße
Reihe
Theologische Frauenforschung in Europa herausgegeben von Hedwig Meyer-Willmes/ Marie-Theres Wacker 26
Erschienen
Berlin 2011: LIT Verlag
Anzahl Seiten
242 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anita Prettenthaler-Ziegerhofer

Der vorliegende Sammelband basiert auf der gleichnamigen Ringvorlesung, die im Wintersemester 2010/11 an der Universität Hamburg von den HerausgeberInnen organisiert und durchgeführt wurde. 11 Theologinnen gehen der Frage «Unbeschreiblich weiblich?» nach, indem sie sich mit neuen Fragestellungen der Geschlechterdifferenz in den Religionen auseinandersetzen. Der Tagungsband ist in vier Themenblöcke unterteilt: «Grundlagen», «Aus Ethik und Dogmatik», «Historisches» und «Aus den Weltreligionen ». Der erste Beitrag unter dem Blickwinkel «Grundlagen» stammt von der Kieler Professorin Uta Pohl-Patalong (Gender – Anund Aufregungen in Theorie und Praxis, 11– 30). Sie zeigt auf, dass das Wort Gender, trotz kritischer Auseinandersetzung, in der Wissenschaft noch immer von Relevanz ist und sich nicht mehr allein auf feministische Diskurse beschränkt, sondern auch in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch im Alltag, Anwendung findet. Der Themenbereich «Aus Ethik und Dogmatik» (31–76) umfasst zwei Beiträge: Christine Globig (Der Mensch ist autonom. Die Frau hilft ihm dabei. Oder: Welche Paradigmen braucht die Theologische Ethik?, 31–49) nimmt den Autonomie-Begriff unter die Lupe, der für sie der Grundbegriff des zeitgenössischen gesellschaftlichen Bewusstseins bedeutet (31) und untersucht diesen anhand der Gegenüberstellung der Thesen von Helmut Thielicke und Wolfgang Huber. Globig kommt zu dem Ergebnis, dass Autonomieverlust nicht mit dem Verlust der Selbstständigkeit gleich gesetzt werden kann, sondern dass es etwa bei der Arbeit im Haushalt um Fürsorge geht, die man aus Liebe macht. Genderbewusste Ethik hat die Chance, so die Hamburger Dozentin, dass auch in Abhängigkeiten Glückserfahrungen möglich sind (47). Wird Gott in Jesus zum Mann (Wird Gott in Jesus zum Mann? Zum Verhältnis von Inkarnation und Gender (51–76)? Helga Kuhlmann stellt diese Frage, die der Inkarnationstheologie zugeordnet werden kann, und nähert sich dieser dahingehend, dass das Mann-Werden Gottes einen Prozess ausmacht. Dies impliziert, dass er es zuvor nicht gewesen war, es aber durch seine Menschwerdung in den Mann Jesus wird. Der Themenbereich «Historisches» wird von Gerlinde Baumann, Professorin des Alten Testaments in Marburg, eingeleitet. Sie diskutiert – ähnlich wie Kuhlmann die Frage, ob der Gott des alten Testaments männlich ist (Ist der Gott des Alten Testaments männlich? Überlegungen aus altorientalischer Perspektive, 77–89). Die feministische Theologie zeigte bereits, wie negativ sich das männliche Gottesbild im Christentum ausgewirkt habe und Baumann zeigt Strategien der feministischen Theologie auf, um dieses negative Bild zu korrigieren. Sie kommt, ähnlich wie Kuhlmann zuvor, zu dem Ergebnis, dass bei der Darstellung Gottes ein Geschlecht, das männliche, bevorzugt wird: Gott erscheint als hyper-«männlich». Christine Gerber leitet ihren Beitrag «Möglichst ohne Runzel. Die Frau in der Ehe nach Eph 5» (91–115) mit der Darstellung der Sätze aus Eph(eser) ein. Diesen «ausführlichsten Text über das Verhältnis von Eheleuten in der Bibel» (93) unterzog Gerber ein gender switching, indem sie die Worte Mann und Frau gegenseitig austauschte. Das Ergebnis ihrer Textkritik ist, dass der Brief an die Epheser die dominante Geschlechterhierarchie in keiner Weise in Frage stellt, sondern sie zementiert. Faktum ist, dass die Frau sich dem Mann, das Haupt der Familie, unterzuordnen habe. Dass der Mann seine Frau lieben sollte, liegt in seinem eigenen Interesse, denn nur so bekomme er eine makellose Frau, eine «Frau ohne Runzeln » (112). So wie Gerber lehrt auch Silke Petersen in Hamburg – sie schreibt über Antike Geschlechtertransformationen, (Maria Magdalena wird männlich, oder: Antike Geschlechtertransformationen, 117–139). Petersen will mit diesem Beitrag befremden, denn dadurch könne man das Eigene als weniger selbstverständlich annehmen (117). Sie setzt sich mit der Konstruktion der Geschlechterdifferenz am Beispiel von Maria Magdalena auseinander. Nachdem Simon Petrus Maria Magdalena wegschicken wollte, da sie des Lebens nicht würdig sei, schlug Jesus vor, Maria Magdalena männlich zu machen, damit sie in das Reich des Himmels eingehen könne (119). Dieser Transformationsprozess vom Weiblichen ins Männliche, damit Frauen den Männern gleichgestellt werden, findet oftmals in den Evangelien Erwähnung. Auch Barbara Müller (Frauen in Männerdomänen. Historische Beispiele, 141–157) nimmt sich dieser Thematik an. Müller geht der Frage nach, was geschieht, wenn Frauen in Männerdomänen vorstossen. Diese Frage wird mit Beispielen beleuchtet, Thekla, die Frau die lehrte und deshalb diskriminiert wurde, Melania, der besondere Verehrung zukam, weil sie reich war, ein monastisches Leben führte und ein Kloster stiftete und Theodora, die Gattin von Justinian, der ein ausschweifendes Leben nachgesagt wird. Da sie sich in die Politik ihres Mannes aktiv einmischte, wurde sie auch angreifbarer. Barbara Müller kommt zu dem Ergebnis, dass das Vor- und Eindringen von Frauen in Männerdomänen schwer war, jedoch «asketisches und geschlechtsloses» Leben der Frauen die Akzeptanz in der «Öffentlichkeit» hob.

Der letzte Teil des Buches ist den Weltreligionen gewidmet: Buddhismus, Islam und Judentum. Carola Roloff (Das Erleuchtungspotenzial von Frauen und Ordinationslinien im Buddhismus, 159–176) kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass in asiatischen Gesellschaften der Körper der Frau nach wie vor als minderwertig angesehen wird, wenngleich ihnen das Erleuchtungspotenzial zuerkannt wird und es auch weibliche Buddhas geben kann. Hamideh Mohagheghi widmet sich der frühislamischen Zeit und gibt Einblicke in den Koran (Gleichberechtigte Teilhabe der Frauen in der Gesellschaft. Einblicke in den Koran und historische Beispiele, 177–194). Wenngleich man im 7. Jahrhundert noch nicht über die Gleichberechtigung von Frauen diskutierte, findet man im Koran unmissverständliche Quellen, aus denen hervorgeht, dass Frauen den Männern gleichgestellt sind. Durch den Koran erst erhielten sie Rechte, die sie vorher nicht besassen (182). Mohagheghi führt Beispiele hervorragender Frauen an wie etwa der weisen Königin von Saaba oder Maria. Sie ist die einzige Frau, die im Koran Erwähnung findet. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass der Koran durchaus ausreichende Grundlagen bietet, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die dadurch entstandene Verbesserung der Frauen zu bejahen (193). Wie Islam und Feminismus kompatibel sind, beschreibt Katajun Amirpur in dem Beitrag «Islamischer Feminismus: Kritik und Inhalt eines Konzepts» (195–213). Die Islamwissenschafterin zeigt die Diskussion der Vereinbarkeit Islam und Feminismus am Beispiel des Irans auf, wo diese Frage heftigst diskutiert wurde. Hier entwickelte sich nach der Revolution im Jahr 1979 eine Frauenbewegung und somit ein Islamischer Feminismus. Um erfolgreich zu sein, begründen die Frauenaktivistinnen ihre Forderungen immer islamisch, denn Motor für den Islamischen Feminismus ist der Islam selbst. Amirpur beendet ihren Beitrag mit der Feststellung, dass sich die Zeiten geändert haben und sich deshalb auch die Interpretationen des Korans ändern müssen. Der letzte Beitrag in diesem Sammelband stammt von der Rabbinerin Eveline Goodman-Thau (Ethos und Eros im Judentum. Überlegungen zur Rolle der Frau als Brücke zwischen Tradition und Moderne 215–239). Beeindruckend zeigt die Autorin auf, wie in der jüdischen Tradition die «Frauenfrage» behandelt wird. Nur der Mann, der eine Frau hat, ist ein Mensch und wer kein Land hat ist kein Mensch (231). So scheint es, dass die Frau dem Mann die Identität verleiht und gleichzeitig seinen Ort auf der Erde sichert. Die Frau stellt die Verbindung zum Himmel und zur Erde dar! Die Frau ist in einem weiteren Schritt die Vermittlerin zwischen Mann und Gott und die Vermittlerin eines Ethos der Wirklichkeit im Spannungsfeld von Ethos und Eros (224). Trotz dieser bedeutenden Position der Frauen in der Bibel ist es bedauerlich, dass Frauen in der rabbinischen Tradition als religiöses Wesen vor Gott lediglich eine zweitrangige Stellung einnehmen (226).

Dieser Sammelband bietet eine interessante und spannende Darstellung der aktuellen Forschungsfragen in der Feministischen Theologie. Nicht nur der Querschnitt durch die vielen Religionen und die historische Dimension, sondern die unterschiedlichen Zugänge und Fragestellungen machen dieses Buch zu einer wertvollen und anregenden Lektüre.

Zitierweise:
Anita Prettenthaler-Ziegerhofer: Rezension zu: Christine Geber/Silke Petersen/Wolfram Weiße (Hg.), Unbeschreiblich weiblich? Neue Fragestellungen zur Geschlechterdifferenz in den Religionen, Berlin, LIT, 2011. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 106, 2012, S. 767-768.

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